Liam Tem'kat'nafe'phi

Mehib von Djunizes

"So kam es im Jahre 34 v. S.G. zum sogenannten Boronstag-Massaker, bei dem alle offenen und vermuteten Gegnerinnen und Gegner Seiner Eminenz von mezkaraitreuen Schergen niedergemacht wurden, einzig der junge Boronfried und eine Handvoll Getreuer, hauptsächlich Angehörige der Sippen der Pâestumai und Chesaî'ret, konnten entkommen und sich in den Wäldern Tárethons verbergen. Unbeeinflußt von den schwachen und interesselosen garether Gouverneurinnen und Gouverneuren, begann die Gruppe, die sich nun nach einem kem'schen Heiligen 'Corvikaner' nannte, den Untergrundkampf gegen die 'Besatzungspfaffen' zu Laguana, und dies recht erfolgreich."


Doch nicht nur die Familien Pâestumai und Chesaî'ret hatten Opfer zu beklagen, auch die Tem´kat verloren an diesem Tag viele Brüder und Schwestern. Doch schlimmer noch war, daß dieses Ereignis die Familie teilte. Die einen die dem Schrei nach Rache und Gerechtigkeit folgten und an der Seite von Boronfried kämpften, standen ihren Verwandten gegenüber, die treu zu Kirche und Nisut geblieben sind.
Unter den Sternen dieser Ereignisse wurde Liam in ärmlichen Verhältnissen am 30. Boron 1 v. S.G. in der Corvikanerburg Momento Mori, als Sohn eines Priesterin und eines Ordenskriegers geboren. Auffällig war, daß an der rechten Schläfe eine Rabenfeder gewachsen ist, die auch fest im kleinen Köpfchen des Jungen steckte und wahrscheinlich ein Teil des Körpers, des Jungen war. Sofort wurde der Junge zum Imát gebracht, der ihn in seine Arme nahm und mit ihm in das Allerheiligsten ging, um dort den Götterfürsten zu befragen. Nie sprach er mit jemanden, was ihm dort zuteil wurde, aber der Junge wuchs mit seinen Eltern in der Ordensfestung auf. Als seine Mutter eines Tages zu einem Kranken gerufen wurde und niemanden fand, der sich um das Kind kümmerte, ließ sie ihn in einem schattigen Plätzchen auf dem Hof zurück, um ihrer Pflicht nach zu kommen. Doch ihre Pflichten nahmen sie länger in Anspruch, als sie gedacht hatte und als sie dann endlich jemanden fand, der sich um das Kind kümmern konnte, waren schon einige Stunden vergangen. Als der junge Ordensbruder zu der besagten Stelle kam, war das Kind aber nicht alleine. Ein Rabe saß auf seiner Wiege und bewachte den ruhigen Schlaf des Kindes. Niemand, der an diesem Tag auf dem Hof unterwegs war konnte sich erinnern, das Kind gehört oder gesehen zu haben, nur das sanfte Krächzen eines Raben war mehrmals zu hören gewesen.


Mit sehr jungen Jahren begann er dann sein Noviziat auf der Momento Mori und erwies sich als wissensdurstiger und gelehriger Schüler, seine offenherzige Art und sein stets freundlich lächelndes Gesicht brachten ihm viele Sympathien ein. Schon nach kurzer Zeit konnte er viele der Schriften und Lieder des Klosters aus dem Gedächtnis heraus zitieren und diskutierte oft mit den Geweihten. In diese Zeit fiel auch die Reunion der Staatskirche mit den Corvikanern. Ihm wäre wahrscheinlich eine große Zukunft innerhalb des Klosters oder der Kirche möglich gewesen, aber er entschied sich dazu nach dem Noviziat und der Weihe Kemi zu bereisen, um in den einzelnen Tempeln zu predigen oder zu helfen. Die Unterweisung in den Geheimnissen seiner Familie nahm er, wie alle Tem'kat'nafe'phi bei dem derzeitigen Familienoberhaupt Sah Alri'chnep Tem'k'at'nafe'phi war.


Dann hörte man längere Zeit nichts mehr von dem Kemi, der lange Zeit in der Támenev/Ost verbrachte, wo er den Waldmenschen den Glauben an den großen Rabenvogel, wie unser Herr Boron dort genannt wird, näher brachte. Es war wahrscheinlich, daß der fundamentalistische Geweihte eine Bekehrung mit Feuer und Schwert bei den Wilden versuchen würde und niemand rechnete wirklich damit, noch einmal etwas von ihm zu hören. Doch nach vier Jahren kehrte Liam zurück, in den Armen einen kleinen Jungen haltend und reiste nach Laguana, um vor der Eminenz Klage zu erheben, gegen Priester der alleinseligmachenden Boronstaatskirche, die ein ganzes Waldmenschendorf niedergebrannt hatten. Nur der Junge, den er in den Armen hielt und dessen Tante konnten entkommen. Von ihnen erfuhr Liam auch von dem Ereignis. Die Tante sei zu einem anderen Dorf des Stammes gereist und nur ihrer Führsprache und dem Vertrauen, daß die Waldmenschen in ihn hätten wäre es zu verdanken, daß man der Gerechtigkeit der Kemi traue und nicht dem Ruf der Rache folgen würde. In der Folgezeit wurden die Schuldigen ausfindig gemacht und gerichtet, Liam aber bat um eine Berufung in einen Tempel, um sich dort um die Erziehung des Kindes kümmern zu können. Liam wurde die zweite Weihe erteilt und er wurde zum Tempelvorsteher in Yáchi/Mekábtá berufen. Die Arbeit in Mekábtá machte dem jungen Kemi viel Spaß. Er liebte es, mit den Novadis über Boron, Rastullah und Dere zu diskutieren oder half in den vom Krieg verwüsteten Dörfern El Sabbah, Qumram und Ar Harrad.


Über die Ereignisse in der Támenev oder den Jungen hört man ihn aber nie sprechen, aber der Junge, der eindeutig ein Kemi ist, ist stets an seiner Seite zu finden, wo er in seiner einfachen schwarzen Kutte mit einem Amulett der Gottestochter Marbo still sitzt und mit neugierigen Augen seine Umwelt verfolgt.

Liam kleidet sich stets in einer weiten, schwarzen Priesterrobe, welche eines Mehib würdig und mit grauen Raben am Saume bestickt ist. Seine Rechte umfasst einen kopfhohen ( und Liam misst immerhin knapp 9 Spann), aus schwarzen Ebenholz geschnitzten Stab, welcher mit zahlreichen Rabenfedern und eingravierten, Schriftzeichen und Symbolen geschmückt ist. Seinen linken Ringfinger umfasst ein schwarzer, schlichter Siegelring in der Form eines Rabens und welches seinen Rang als Mehib widerspiegelt. Die einzige Waffe die er trägt, ist der schwarze Dolch, das Zeichen seiner Zugehörigkeit zum Laguana-Orden, welchen er unter seiner Robe trägt. Meistens schlägt er die Kapuze über sein Haupt und so liegt sein Gesicht meist im Schatten verborgen. Bei Reden oder Anlässen allerdings, schlägt er sie zurück und unter der Dunkelheit kommt ein jugendlich aussehendes Gesicht hervor, welchers braun gebrannt ist. Schwarze, glatte und schulterlange Haare zieren sein Haupt, und an der rechten Schläfe kann man die Rabenfeder erkennen, welche ihn als erwählten des schweigenden Herren auszeichnet und schon manchen Spekulationen Grund gab. Seine hasselnussbraunen Augen scheinen endlos tief zu sein, und wer sie längere Zeit betrachtet, scheint wohlig umarmt zu werden und darin zu versinken. Sie betrachten seinen Gegenüber meist mit dieser entrückten, wissenden Art, die einem hohen und erfahrenen Boroni zu eigen ist. Eine edel geformte Nase und schmale, nichtsdestotrotz sehr männliche Lippen komplettieren sein hübsches Äusserers. Nur den Wenigsten ist bekannt, dass er seit seinem Aufenthalt bei den Waldmenschen einen Raben mit ausgebreiteten Schwingen über seiner Brust trägt, welches dank der Lualoa-Technik der Mohaha aufgemalt wurde und nicht mehr abgeht. Um seinen Hals trägt er ebenfalls ein boronheiliges Amulett, welches er zu seiner Weihe erhielt. Ihm zu eigen ist, dass er meist erst aufmerksam zuhört und dann mit einem leichten, angedeuteten Lächeln antwortet, welches einen höchst mysteriösen Eindruck hinterlässt bei seinem Gegenüber. Das, was ihn wirklich ausmacht, ist seine Ausstrahlung. Von ihm geht ein ruhiges, warmes Etwas aus, das jeden in seinen Bann zieht. Somit vermag er es auch, in einen voll besetzten Raum zu treten und die volle Aufmerksamkeit der Anwesenden zu erhalten. Er gehört zu jenen Mystikern, die sich lange Zeit ohne Essen und Trinken, zurückgezogen mit ihren Gottheiten unterhalten und allwissend auschauen, vielmehr ausstrahlen. Es stimmt, dass wenn er nicht gerade seinen Schützling unterweist oder sonstigen Aufgaben nachgeht, er meist in stillem Zwiegespräch mit dem heiligen Raben weilt, zurückgezogen von den Augen der Öffentlichkeit im Garten seiner Residenz. Seine Bediensteten wissen zu berichten, dass stets ein Rabe auf seiner rechten Schulter sitzt, wenn er so zu seiner Gottheit betet. Auch soll ihn in letzter Zeit immer häufiger ein junger Knabe begleiten.
Allerdings hat Liam seine Hilfsbereite Ader nicht verloren, und wo immer man ihn braucht, ist er zur Stelle, um mit all seinen Kräften zu helfen. Sein junger Begleiter aber scheint entweder an ein Schweigegelübde gebunden oder stumm zu sein, hat man ihn doch noch nie sprechen hören. Stets weilt er an Liams Seite, bei allen Anlässen und mustert die Menschen, Tiere oder die Umgebung ernsthaft. Die Beiden scheinen aber miteinander in Kontakt zu stehen, gelingt es ihnen doch, sich miteinander zu verständigen, ohne irgendwelche Worte zu gebrauchen.

 

Seinen Wohnsitz unterhält er in Dreiwegen, der Hauptstadt von Djunizes, von wo aus er seinen Pflichten als Mehib ni Djunizes am besten nachgehen kann. Obwohl es diverse Einflussgruppen in den letzten Jahren geschafft haben die Macht und den Einfluss der Kirche zu verringern, ist der Mystiker nicht gewillt Djunizes einfach aufzugeben. Ein Signal, das er durch die Wahl seines Wohnsitzes, unmittelbar neben der weltlichen Gewalt, setzen will.