Baron Linnart Djáset von Halberg-Kyndoch

Geboren wurde der Baron von Kyndoch im Jahre 8 n.H. im Städchen Klein-Kyndoch auf der rechten Seite des Großen Flußes, in der Grafschaft Isenhag in Nordmarken. Der Vater Seiner Hochgeboren, Osidor Alberich Siegismut von Halberg, war ein veritabler Ritter des Reiches, der vor dem Antritt seines baronlichen Erbes in Kyndoch viele Jahre als Gouverneur der mittelreichschen Südmeerkolonie Trahelien (heute: Kemi) verbracht hatte. Seine Frau, vom Stamme der Ruwangi-Waldmenschen, hatte den Namen Marî’ann angenommen, um der weitgehenden Ächtung in der gehobenen Adelsschicht des Mittelreiches ein wenig entgehen zu können. Der junge "Halb-Moha" konnte während seiner unbeschwerten Kindheit im damals noch von Krisen und Kriegen weitgehend verschonten Mittelreich die innige Zuneigung seiner glücklichen Eltern und Großeltern sowie die liebevolle Zuwendung seiner Amme genießen, bis die ersten dunklen Schatten auf das Reich und die so friedlichen Nordmarken fielen. Als Kaiser Hal im Bornland verschwand, da ritt Linnarts Vater aus, um diesen zu suchen und sollte erst viele Monde später wieder bei seinem Sohn sein. Unterdessen mußte dieser die schrecklichen Ereignisse im Gefolge der answinistischen Usurpation erdulden, während der die Familie immer in Furcht vor Übergriffen answintreuer Schergen lebte, immer bereit zur Flucht, sollte der von Linnarts Großmutter mitgetragene Aufstand ein unrühmliches Ende finden. Doch auch wenn das Schicksal den Rebellen den Sieg schenkte, so stand ein weiterer Schicksalskampf unmittelbar bevor. Kaum nach Kyndoch zurückgekehrt, mußte sich Baron ‘Ossi’ von Halberg erneut von seinem Sohn verabschieden, denn in großer Zahl hatten die Orken die Nordprovinzen des Reiches überrannt. Bange Monde des Wartens vergingen, bis Linnarts Vater nach Hause gebracht wurde; er lag im Sterben, denn ein orkischer Pfeil aus dem Hinterhalt hatte ihn so ungünstig getroffen, daß er nicht entfernt werden konnte, ohne den Baron sofort zu töten. Doch Boron sollte sich als gnädig erweisen: Durch die Hilfe von Freunden und göttliche Gnade genas der alte Baron wieder.

Doch nun war der Sohn im Alter der Knappschaft, und so blieb dem traurigen Vater nichts weiter übrig, als sich erneut von Linnart zu trennen. Sorgfältig wählte Ossi von Halberg den Adeligen aus, der seinen Sohn erziehen und zu einem Ritter alten Schlages ausbilden sollte: Baron Danilo Caer Donn von Cres, ein alter Mitstreiter wider Answin und die Orken. Widerwillig, ob der ungeliebten Aussicht auf eine nicht gewünschte Ausbildung, verließ der junge Linnart Kyndoch in Richtung Cres. Während er dort aber freudig-überrascht feststellen mußte, daß Baron Danilo Caer Donn unter Knappschaft ganz deutlich etwas anderes verstand als sein eher traditionell gesonnener Vater, entwickelte der Junge einen gewissen Enthusiasmus und sog alles auf, was ihm sein Lehrmeister ihm an Wissen vermittelte: die Kunst der Poesie und Musik, die Regeln der höfischen Etikette und Galanterie, Geschichte (insbesondere die Nord-Nostrias), das Wissen um die Tier- und Pflanzenwelt, sowie die Prinzipien und Ansichten almadanischer Adeliger von Ehre, Anstand und Tugend. Doch auch zu seinen Wurzeln fand der Junge in Almada wieder zurück: Der mohische Baron Gona von Rosenteich, ein enger Freund Baron Danilos von Cres, unterwies ihn in der Jagd mit dem Blasrohr, in mohischen Tänzen, Gesängen und Traditionen. Und während sein Vater im kalten, windigen Kyndoch im Geiste seinen Sohn noch hochgerüstet zu Pferd die Tjoste bestreiten sah (nun, der alte Halberg war zwar ein Mann von löwengleicher Tapferkeit, stark wie ein Bär und von praiosgefälligem Konservativismus, jedoch auch von einer ritterlichen Naivität und von völligem Unbegreifen nicht-traditioneller Lebensweisen durchdrungen), entwickelte sich dieser in Almada zu einem jungen, galanten Abenteurer, dessen geschliffene Rede oftmals weitaus schärfer war als der biegsame Degen, den er immer besser zu führen verstand.

Wäre es nicht so tragisch für das Haus derer zu Kyndoch, so könnte man nun sagen: "Gut, daß der alte Baron nie erleben mußte, was aus seinem Sohn geworden ist", denn Ossi von Halberg kehrte nicht lebend vom tobrischen Kriegsschauplatz nach Hause. Bei Eslamsbrück wurde das kyndocher Banner vollständig aufgerieben, der Baron (durch einen Lanzenstoß direkt durch die Brust) und zehn seiner Ritter fanden den Tod, einzig der wackere Ritter Thymon vom Traurigen Stein zu Linnartstein konnte nach Kyndoch zurückkehren und so den Leichnam des Barons dessen Gemahlin und Mutter übergeben - es war Zeit für den jungen Linnart, sich seiner Pflicht zu stellen. So kehrte er - seine Ausbildung war beendet - aus dem sonnigen Almada in den Norden zurück und übernahm mit reichsbehüterlichem Segen nach der Grablegung seines tapferen Vaters die Amtsgeschäfte als neuer Baron von Kyndoch. Nach der würdevollen, tränenreichen Beerdigung Osidor Alberich Siegismuts von Halberg in der Familiengruft derer von Kyndoch ließ der junge Baron keinen Zweifel daran, daß von nun an ein "frischerer Wind" über die kahlen Hügel und sumpfigen Heidemoore Kyndochs wehen würde. So hat der junge Baron in seinen ersten Amtsmonden mit vielfältigen Dingen zu kämpfen. Das kleine, vom Vater über alle Maßen geföderte Bannstrahlerkonvent in Linnartstein sandte solange Emissäre auf die Halburg, bis dem jungen Linnart der Kragen platzte und er drohte, die Förderung des Ordens gänzlich einzustellen und nicht nur "einen Deut zu kürzen". Die Geschäfte der Kaiserlich-Kyndocher-Kalkstein-Kunstmanufaktur hat er dadurch wieder angekurbelt, daß er die Palette der Produkte von - ausschließlich - Kaiser-Hal-Büsten auch auf andere wichtige gekrönte Häupter umstellen ließ. An Turneien und anderem ritterlichen Kräftemessen hat kaum Interesse, eher schon an Barden- und Poetenvorträgen, und so vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine Dichterin oder ein Sänger auf der Halburg vorgelassen wird und dort vor dem jungen Baron vortragen darf. Mit seinen Nachbarn kommt der junge Kyndocher eher wechselhaft aus. Vom Vater hat er seine Abneigung gegen die Albernier geerbt, und folgerichtig gleich einen ernsten Streit mit dem Baron von Crumold ausgetragen, der die über die kyndocher Fährstation Kronau verlaufende Reichsstraße Nr.3 über eine neugebaute Brücke umleiten wollte. Auch mit der Baronin von Traviarim verbindet den jungen Kyndocher eine eher persönliche Abneigung, kann er doch mit stocktrockenen Militärs wenig anfangen. In den Nordmarken hält der junge Baron das isenhager Banner der verzweigten fadersberger Linie aufrecht, und obschon er einen gepflegten Zwist mit seiner Tante Odelinde von Nablafurt pflegt, steht er bei Angriffen von Emporkömmlingen - als solche sieht er Baroninnen und Barone wie Trappenfurten oder Arraned, die ihre Linie eben erst begründet haben - treu zu seinen Verwandten aus Greifenfurt. Freundschaftliche Kontakte pflegt Hochgeboren zu Baron Lucrann von Rabenstein und zum Baron von Tandosch, während er einen innigen Zorn gegenüber den "Verrätern" hegt, die den Oberfels-Vertrag abgesegnet haben. Seine alten Verbindungen nach Almada hütet und pflegt der junge Linnart nach bestem Wissen und Gewissen, und schon mehr als einmal war ein Bote mit einem ratsuchenden Schreiben des Barons von Kyndoch nach Cres unterwegs. Baron Danilo ist für den jungen Kyndocher Vorbild und Ideal zugleich, und man liegt nicht falsch darin, wenn man vermutet, daß dieser ihm in den Zeiten seiner Unterweisung mehr ans Herz gewachsen ist als sein - ihm wenig bekannter - Vater.

Linnart Djáset von Halberg ist ein Edelmann der reinsten Sorte. In den Gesellschaften des westlichen Mittelreichs glänzt er nicht nur durch vollendete Rede, Manieren und Tanzkünste sondern auch durch seine musikalischen und dichterischen Fähigkeiten. Er ist schnell dabei, wenn es darum geht, einer wunderschönen Dame den Hof zu machen, obschon er derzeit noch keineswegs an eine ernsthafte Bindung denkt. Sein besonderes Augenmerk galt lange der jungen Adelinde von Neidenstein zu Nablafurt, die er seinem Ritter Thymon vom Traurigen Stein als Knappin anvertraut hatte. Sie hatte den jungen Baron einige Male erlebt, wie er sich mittels einer Efeuranke - mit Rose und Gedicht ‘bewaffnet’ -, auf den Sims ihres Gemachs in der Halburg schwang oder sie in der Abenddämmerung von ihren Waffenübungen schnurstracks zu einem Ausritt über das romantische Hochland Kyndochs entführte. Schließlich - der junge Kyndoch hatte offenbar lange genug die Minne genossen -, machte der Baron Nägel mit Köpfen. Angestachelt von der Absicht Baronin Odelindes von Neidenstein, Tochter Adelinde nach Firnholz zu vermählen, entführte er die Knappin schnurstracks in das Praiosstift St. Aldec bei Linnartstein und ließ sich dort bei Nacht und Nebel mit ihr trauen, justament wenige Stunden, bevor Baronin Odelinge von Neidenstein in Kyndoch eintraf.

Von Gestalt ist der junge Baron etwa eindreiviertel Schritt hoch, schlank und gut gewachsen. Seine halbmohische Herkunft verströmt einen gewissen Hauch von Exotizität, den er bisweilen für seine romantischen Zwecke durchaus einzusetzen versteht. Er trägt gerne weite, wallende Umhänge und breite, auslandende mit Federn geschmückte Hüte über bestickten Rüschenhemden. Auf die korrekte Auswahl und den korrekten Sitz seiner - almadanischen - Mode legt Baron Linnart viel Wert, womöglich ist das einer der Gründe für seine notorische Unpünktlichkeit. Ein weiteres Merkmal Baron Linnarts ist sein absoluter Unwillen gegen Waffenübungen, Schwertgepränge und die Glorifizierung des Kampfes schlechthin. "Meine Liebe, was habt Ihr davon, wenn Ihr Euch zuerst stundenlang in dieses Eisen schmieden und anschließend auf ein Pferd heben laßt, nur um kurz darauf mit einer Lanze heruntergestoßen zu werden? Was bringt es Euch, außer Beulen? Diese Art des Kampfes ist überholt. Seht nur, ein flinker Degen kann mehr ausrichten als ein wuchtvoller aber ungezielter Schlag mit dem Zweihänder."

Wenn der Baron zu Festivitäten eingeladen wird, so kommt er in der Regel mit nur wenigen Begleiterinnen und Begleitern, denn seinen Worten zufolge "braucht nicht halb Kyndoch mir hinterhervoyagieren, wenn ich mir ein Plaisir in der Ferne gönne." Da er ein recht guter und ausdauernder Reiter ist, gibt es sowieso nur wenige Kyndocherinnen und Kyndocher, die mit ihm Schritt halten können. So ist er meist nur in Begleitung seines treuen Ritters Thymon - und derzeit seiner Knappin Adelinde - zu erwarten.

Auf Fesitvitäten ist der junge Baron in erster Linie bestrebt, für seine Provinz vorteilhafte Kontakte zu knüpfen, aber auch mit seiner Meinung in politischen Dingen hält er nicht hinter dem Berg. So ist er ein vehemnter Verfechter nordmärkischer Eigenständigkeit und ein ebenso entschiedener Gegner des "Verkaufs des Reiches an Vinsalt."

Zitate:

"Liebe Tante, Ihr wißt doch: Praios erhellt Euer Leben, doch bisweilen mag Sein heller Schein auch ein wenig blenden."
(zu Baronin Odelinde von Nablafurt)

"Es ist Zeit für unsere schöne Provinz, daß sie wieder den Stellenwert erhält, den sie verdient. Laßt sie uns aus der Bevormundung herausführen. Die Zeiten, als man die Nordmarken ‘Hinterkosch’ hieß, müssen endlich vorbei sein."

"Der Schandvertrag von Oberfels ist kein Friedens- sondern ein Kapitulationsvertrag. Wir alle sollten uns für die schämen, die unser Reich mit ihrer Zustimmung an Vinsalt verkauft haben."

"Die Albernier sind ein rückgratloses Volk. Sie halten ihr Fähnlein brav in den Wind. Was hat man von solchen Nachbarn auch zu erwarten?"

"Verzeiht, Herr Baldos, aber ich habe meinen Titel nicht meinen Fähigkeiten im Umgang mit jungen, hübschen Tulamidenknaben zu verdanken. Ich entstamme einer alten, traditionsreichen Familie."

"Oh, Holde, Euer Gesicht schimmert wie das Weiß einer betörenden Orchidee im Hochland von H’Rabaal, ein strahlender Stern inmitten der wogenden, ewigen, unendlichen Weite des undurchdringlichen Blätterdachs. Leiht mir Eure Hand, und ich werde Euch entführen in ein Land der Märchen und Sagen, in dem das Schöne Wirklichkeit und das Böse nicht existent ist, in dem die Liebe unsere Nahrung und die Zweisamkeit unser trefflichstes Schicksal. Eure zärtlichen Worte, gleich dem Gesang einer Fee, sollen mir Nahrung, Eure gütige Gegenwart mein höchstes Ziel sein."

Armin Abele
Bild: Björn Berghausen