Fiorenzo el'Corvo
Akîb Ni Rekáchet
Der Wanderprediger ist ein Halbbruder des bei der Schlacht von Mohema zu Tode gekommenen ehemaligen Akîbs El'Mariachi de Castaro. Fiorenzo el'Corvo ist ein äußerst frommer Diener der Alleinseligmachenden Borons- und Staatskirche, der sich durch seine beschwerlichen Reisen in alle Winkel des Reiches bei der Bevölkerung enormen Respekt erworben hat.
"[...] Da lag er nun, Akîb El Mariachi de Castaro, todwund auf seinem Lager in Mohema und haderte mit seinem Schicksal. Hin und wieder wurden ihm zur Linderung seiner Schmerzen einige feuchte Tücher auf die stark entzündete Wunde am Haupt gelegt, doch keiner der Anwesenden wollte für El´Mariachi den nächsten Tag loben. Längst wand sich der Akîb in Fieberträumen und es schien, als wäre sein Geist bereits über das Nirgendmeer geschwebt, obwohl der Herr Boron sein Werk auf Dere noch nicht vollendet hatte. Neset Ricardo und einige Mitstreiter hatten sich versammelt und sahen widerwillig zu, wie sich unweigerlich der "Mannfall" vollzog, der gleich die Lehensfrage für Rekáchet stellen würde. [...]
Ein kleiner, schlanker Mann, gekleidet mit einem tiefschwarzen Kapuzenumhang betrat die kleine Hütte in Mohema. Sein Gesicht verriet, daß er wohl Ende seiner Dreißiger sein würde und zweifelsohne wehrfähig, doch trug er keine Waffen bei sich außer einem Dolch und einem einfachen Wanderstab. Die Situation machte keinen Wortwechsel erforderlich, weshalb der Fremde stumm zur Lagerstatt schritt und mit dem verscheidenden Akîb einige Blicke wechselte. Dann kniete er nieder und begann leise zu beten. [...]
Am Ausgang der Hütte, in der gerade der Tote in einige Decken gehüllt wurde, sprach der Neset den sonderbaren, frommen Menschen auf seine Herkunft an. Mit wenigen erklärenden Worten gab sich der Fremde als ein Halbbruder des soeben verstorbenen Akîbs zu erkennen, der seinem langjährigen Weggefährten die letzte Ehre erweisen wollte. Gewöhnlich war er ein einfacher Laienprediger des Boron. - Gerade wandte er sich um, seiner gewohnten Wege zu schreiten, da hielt ihn der nicht wenig erstaunte Neset spontan am Arm fest. [...]
Er machte ungläubige große Augen, Fiorenzo el´Corvo, ehemaliger Wanderprediger des Boron. Er, der sich in solcherlei Geschäften doch scheinbar gar nicht auskannte, war der neue Akîb von Rekáchet. Doch der Neset war sich seiner Sache sicher. [...]"
Aus dem Bericht des Bäckermeisters von Mohema:
"Am Morgen erschien der Fremde zu Fuß in Kanchera. Das Gerücht, das von einem kleinen Dorfjungen herangetragen wurde, er sei der neue Akîb, wollte freilich zunächst niemand für wahr halten. Erst als er einer kleinen Gruppe von Erwachsenen aus dem Ort, zu denen auch ich mich gesellte, einen gesiegelten Brief des Neset vorweisen konnte, herrschte Gewißheit, und bald lief das gesamte Dorf zusammen, um den Neuankömmling zu sehen. Dieser jedoch ging gemessenen Schrittes zu dem kleinen Häuschen des Akîbs und verblieb darin für einige Momente. Dann trat er heraus und sprach zu uns. Inzwischen hatte er sich einen großen Rapier, den er wohl in dem Haus gefunden haben mag, um die Kutte gegürtet, und so erhob er seine Stimme von der kleinen Anhöhe aus. Von ihm, Fiorenzo el´Corvo, erfuhren wir etwas über das Schicksal des alten Akîb, die jüngsten Entscheidungen des Neset und die konkreten Ereignisse um Mohema. Dann verschwand der neue Akîb in sein Haus und ward auf Tage nicht gesehen. Immerhin rief er die Ältesten aus dem Dorf zwischenzeitig zu sich, jene verließen ihn jedoch wieder ohne weitere Vorkehrungen getroffen zu haben. Sie gaben uns lediglich das Bild eines besonnenen, frommen, jedoch sehr entscheidungsschwachen Menschen, der vor lauter Vorsicht, zumal ihm eine solche Krisenprovinz anvertraut wurde, kaum zu fertigen Entschlüssen zu bringen sei. Nach einigen Tagen brach er wieder auf, um in Mohema nicht den Eindruck zu vermitteln, die Arbeiten würden ohne sein Interesse erledigt werden." (Aus dem Bericht eines Bewohners von Kanchera)
Fiorenzo el Corvo wurde als Bastard einer Schneiderin aus Kefu und dem Vater des verstorbenen Akîb ni Rekáchet, El Mariachi de Castaro geboren. Von seinem Vater anerkannt, wuchs er zwar zusammen mit seinem Halbbruder auf, doch meinte das Schicksal es nicht gut mit ihm. Auf einer Heimreise auf der Seemaid von Brabak nach Kefu wurde diese von al'anfanischen Galeeren angegriffen und geentert. Alle Überlebenden der Seemaid, darunter auch der noch fast ein Knabe gewesene Fiorenzo, wurden in die Sklaverei nach Al'Anfa verkauft.
Fiorenzo kam daraufhin durch seine gesunde, sehnig-kräftige Statur in die Gladiatorenschule, wo er zum Kämpfer für die Arena ausgebildet wurde. Hier lernte er nicht nur das Töten mit verschiedenen Waffen, sondern auch mit der leeren Hand. Oh, wie er mit den Göttern haderte, daß sie ihm, der stets das sinnlose Töten so haßte und verabscheute, wie nichts anderes auf Dere, so ein schreckliches Schicksal zugedachten...
Als sich ihm nun eine Fluchtmöglichkeit offenbarte, nahm er sie mit einigen anderen Sklaven war und floh in den Dschungel.... Nur mit Hilfe des Herrn BORon wurde er und lediglich zwei weitere Flüchtlinge abgekämpft und von Dschungelfieber befallen von einigen Boronis eines Klosters gefunden und gesund gepflegt.
Während sich nun die beiden anderen Überlebende, die Fiorenzo zu guten Freunden wurden, nach ihrer Erholung wieder auf den Weg machten: "um noch etwas vom Leben zu genießen", wie sie sich ausdrückten, fand Fiorenzo, der ehemalige Gladiator die Nähe zu unserem Herrn BORon und ließ sich nach einem kurzem Noviziat zum Priester weihen. Er wollte nun nicht mehr Henker, sondern Diener des Herrn sein. So kam es, daß el Corvo in den nun folgenden Jahren als Wanderpriester im Kahet ni Kemi umherzog und Menschen zu ihrem Seelenheil verhalf, die nicht das Glück hatten, in der Nähe eines Tempels zu leben.
Oft war er alleine auf den halbverwagsenen Dschungelpfaden unterwegs, einzig durch seinen Gesang bekleidet, den er nicht nur in heiligen Chorälen übte...
Als er nun nach einigen Jahren des Wanderns von dem schlimmen Zustand seines Halsbbruders hörte, eilte er sogleich an des Todgeweihten Bettes, um ihm in seiner letzten Stunde begleiten zu können. Von der Entscheidung des Neset Ricardo von Grauenberg, daß er, Fiorenzo, der neue Akîb ni Rekáchet sein sollte, war er im ersten Moment nicht nur überrascht, sondern mehr noch - verunsichert. Hatte er sich doch nie mit Staatsgeschäften beschäftigt...... Aber wie so oft in seinem Leben, standen die Entscheidungen und Fiorenzo begann nun nach dem Abschnitt des unbesorgten Jünglings, des Abschnittes des Sklaven, der zum Gladiator wurde und das Töten gelernt hatte und dem Abschnitt des wandernden Boronpriesters nun den Abschnitt des Boroni der Akîb ni Rekáchet sein sollte....
Am Anfang seiner Amtszeit galt Fiorenzo el Corvo noch als besonnener, frommer und entscheidungsschwacher Mann, der anscheinend nicht fähig sein sollte, dieses Tá'akîb leiten und verwalten zu können. All zu oft blieben wichtige Entscheidungen ungefällt, oder wurden ständig aufgeschoben.
Erst nach ca. zwei Götterläufen, nachdem el Corvo nächtlichen Besuch von zwei "Schatten", wie es hieß gehabt haben soll, ging eine Veränderung in dem Akîb vor. Nicht daß er etwas von seiner Frömmigkeit verloren hätte, nein, hatte man erst noch den Eindruck, daß Fiorenzo leicht gebeugt und sich auf seinen Stab stützend, mit gehetztem Blick fortbewegte, so sieht man jetzt einen aufrecht gehenden Akîb mit gesunden, fast schon vor Energie strotzendem Körper und einem durchdringendem Blick seiner schwarzen, anscheinend bodenlosen Augen, die bis auf die Seele des zu Betrachtenden zu blicken scheinen und manchmal von ihrer praiosgefälligen Wärme in Firunskälte wechseln. Auch baumelt jetzt unter seiner langen, schwarzen Robe nicht nur ein kleiner Dolch, sondern auch ein schwarzer Rabenschnabel an seinem Gürtel. Fiorenzo el Corvo, der nun genau weiß, was er will, wann er es will und wie er es durchsetzt nahm nun seine Aufgabe als Akîb ni Rekáchet an.
Nach der langen Zeit des Zauderns und des Zögerns, geht Fiorenzo el Corvo, Geweihter des BORon und Akîb ni Rekáchet nun gezielt, selbstbewußt, wissentlich und voller Autorität vor, immer mit der Loyalität zu unserem aller Herrn BORon, des Kahet ni Kemi und seines Volkes. Ja, es heißt sogar, daß Stimmen, die während der Zeit der Unentschlossenheit laut ihren Unmut kund getan haben, auf einmal verstummten. Gerüchten zur Folge, sollen diese Unzufriedenen zwar Besuch von zwei Männern gehabt haben, die sich so leise wie Schatten bewegt und auch so leise gesprochen haben sollen. Doch da es hierfür keinerlei Beweise gibt, wollen wir das Ganze lieber als albernes Geschwätz abtun und den Sinneswandel auf die Weise Führung unseres Akîbs, sowie der Einsicht der Betroffenen zurückführen.
Der frau- und kinderlose Fiorenzo el Corvo ist zwar ein frommer Anhänger des kem'schen Boronkultes, da dies die einzige Wahrheit ist, doch ist er auch tolerant anderen Kulten gegenüber. Mit jenen Anhängern hat Fiorenzo eher Mitleid, da er sie für irregeführte und geblendete Schafe hält, die wieder auf den richtigen Weg zurück geführt werden müssen. Nichts desto Trotz hält Fiorenzo nichts von einer Missionierung mit Feuer und Schwert, vielmehr ist er der Ansicht, daß der Weise Herr BORon aller annimmt, egal wie der Sterbliche zu Lebzeiten auch fehlte. Einzig den ketzerischem al'anfanischen Kult, dem Kult des Rattengottes, den Kreaturen der Siebten Sphäre, der Sklaverei und den Menschenopfern hat er den erbitterten Kampf bis zum letzten Tropfen Lebenssaft angesagt. So sollte es also auch nicht verwunderlich sein, sollte Akîb el Corvo eines Tages um Aufnahme im Heiligen Orden der Wächterinnen und Wächter des Kultes des Heiligen Raben zur Insel Laguana bitten.
Momentan möchte Fiorenzo aber erst einmal die versäumte Zeit nachholen und sich voll und ganz um Rekáchet kümmern. Er hat vor, aus der Tá'akîb ein wirtschaftlich unabhängiges Land zu schaffen, dessen Bewohner ein wohlhabendes, zufriedenes und sicheres Leben in Eintracht mit den Waldmenschen und Achaz führen können. Ob ihm diese schwierige Aufgabe gelingen wird, wird die Geschichte uns zeigen.
Als erstes führte Fiorenzo jedenfalls schon einige Gespräche mit Unterhändlern der Keke-Wanaq die, nach seinem wissentlichen Lächeln, welches man erhält so man ihm nach etwas fragt wozu er noch nicht bereit ist Auskunft zu erteilen anscheinend recht gut verlaufen sind.
Daraufhin machte sich der Boroni nun auf, um seiner Fürstin die längs anstehende Aufwartung zu machen.
(Niedergeschrieben von einem unbekannten Chronisten)