Círdan Sonnenwind

Akîb Ni Laratusaî

"Geboren wurde ich vor 49 Sommern in den Wäldern südwestlich von Gerasim. Mein Vater war Jagdmeister und Mutter gerbte Felle und machte aus dem Leder schöne Kleidung. Wir hatten es zu einigem Wohlstand gebracht, und so verlebte ich eine Kindheit, die vor allem von Bogenschießen und Jagen erfüllt war. Vater lehrte mich die Kunst des Schießens und Mutter zeigte mir, wie ich meine astrale Kraft nutzen konnte. Ich hätte wohl nie etwas von der Welt gesehen, wäre nicht eines Tages ein fremder Elf in unserem Dorf aufgetaucht. Er trug ein Hemd ganz aus Metall und an seinem Gürtel hing ein mächtiges Schwert. Dieser Elf erzählte Geschichten, die keiner glauben wollte. Sobald er bei Einbruch der Nacht am Feuer erschien, standen all auf und suchten sich einen anderen Platz. Ich schämte mich für dieses Verhalten und blieb als einziger sitzen, obwohl mich deshalb viele unfreundlich anblickten.
Lôrien, so hieß der Elf, sah erstaunt auf, als er merkte, daß er doch einen Zuhörer hatte. Er fragte mich, ob ich seine Erzählungen aus der fernen Welt hören will und ich nickte freudig. Lange saßen wir am Feuer und er sprach von riesigen Städten, die nur aus Stein gebaut sein sollen, und von Lebewesen, die ich nicht einmal dem Namen nach kannte. Dort draußen, damit meinte er die Welt außerhalb der Bäume, gäbe es fremde Mächte und Götter, die über das Schicksal der vielen Völker bestimmen würden. Als er seine Geschichte geendet hatte, saß ich stumm da und starrte in die sterbenden Flammen. Dabei dachte ich an das eben Gehörte und fragte dann Lôrien, was alles in der Geschichte wahr wäre. Lôrien antwortete, alles entspräche der Wahrheit. Lange lag ich in dieser Nacht wach im Bett. Plötzlich erschien mir alles um mich herum so eingeengt, selbst das ganze Dorf. Ich wollte hinaus, die Grenze der Bäume überschreiten und endlich mal etwas Neues sehen. Die Welt bestand doch sicherlich aus noch mehr, als bloß aus einem kleinen Elfendorf und einigen Meilen Wald darum herum. So schlief ich schließlich ein und träumte von der neuen Welt, die sich mir aufgetan hatte, denn ich war fest davon überzeugt, daß Lôrien die Wahrheit gesprochen hatte.


Am nächsten Morgen hatte ich einen Entschluß gefaßt. Ich fragte Lôrien, ob ich ihm ziehen könnte und nach kurzem Zögern gab er mir seine Erlaubnis, doch unter der Bedingung, daß meine Eltern ebenfalls zustimmen würden. Mein Vater blickte mich, nachdem er gehört hatte, was ich vorhatte, lange an und sagte dann, wenn es mein Wunsch wäre, könne ich mit. Überglücklich eilte ich in mein Zimmer, meine schon gepackten Sachen und etwas Proviant zu holen, denn Lôrien wollte noch am selben Nachmittag aufbrechen. Als ich meinen Eltern Lebewohl sagte, drückte Vater mir seinen Bogen in die Hand und bat mich, gut auf ihn aufzupassen. Mutter hängte mir ein kleines silbernes Amulett in Form eines Drachen um, und ich umarmte beide schnell und wandte mich dann ab. Sie sollten die Tränen, die mir aus den Augen floßen, nicht sehen. Alsdann verließen Lôrien und ich mein Heimatdorf.
Was ich alles in den nächsten Wochen und Jahren sah, war viel mehr, als ich erwartet hatte. Die großen Städte aus Stein konnte ich bewundern, die meistens von Wesen, die Lôrien "Menschen" nannte und uns oft mit Abneigung entgegen kamen, bewohnt waren. Lôrien lehrte mich Kampftechniken und half mir, die Gabe der Zauberkraft weiter auszubauen. Doch auch Musizieren und höfische Umgangsformen lernte ich von ihm. So überlebten wir Seite an Seite viele Abenteuer. Eines Tages war Lôrien des Wanderns müde, er heiratete eine berühmte Kriegerin und setzte sich zur Ruhe. Ich blieb noch eine Weile bei ihm, dann zog ich weiter und fand bald darauf Anschluß an eine Gruppe Abenteurer, mit der ich fortan reiste, am beeindruckendsten war dabei usnere Entdeckungsreise im Land der Simaner, das weit östlich aller bekannten Küsten liegt.


Nun ist die Geschichte schon über zwanzig Jahre her, und ich glaube, niemandem macht es nun etwas aus, wenn ich die Ereignisse von damals erwähne. Viele Abenteuer erlebte ich noch mit meinen Freunden, und später erlebte ich Dinge, die ich nicht erzählen kann. Dinge, die mich nach Tie'shianna und dem Ursprung meines Volkes suchen ließen. Eine Weile zog ich auch mit einer Tochter von Lôrien durch das Land. Nun bin auch ich des Umherziehens müde geworden und sehne mich nach Ruhe. Die Zeit des Wanderers ist zu Ende. Wenn er sich einmal niederläßt, steht er nimmermehr auf. Doch was soll ich machen? Die Zeit, daß ich in die Ewigen Wälder gehe, ist noch nicht gekommen..."


***
 

Der, schwarzhaange, hochgewachsene Baron gehört dem hohen Volke der Elfen an- wie man leicht an seinen spitzen Ohren und seinen mandelförmigen Augen erkennen kann. Von Geburt an war er ein Ausgestoßener, auf sich allein gestellt, denn als er den Mutterleib verließ, verdunkelte Praios sein Antlitz und Schweigen senkte sich über die Natur. Círdan fand in seiner Kindheit nie Freunde und seine Eltern gaben ihre nie mehr, als er gerade benötigte, war er doch unter einem bösen Omen geboren worden. So war es wenig verwunderlich, daß sich Círdan einem fremden Elfen anschloß, der eines Tages sein Dorf besucht und Geschichten von der weiten Welt erzählt hatte.
Lange zog er durch die Lande, immer auf der Suche nach Wissen und Vollkommenheit, wonach sein Geist dürstete. Jener Elf, der zu seinem Freund und Lehrer geworden war, zeigte Círdan die Welt und teilte ihm seine Künste mit. Jedoch irgendwann trennten sich ihre Wege und nach einiger Zeit fand Círdan Anschluß an eine Gruppe von Abenteurern, die die Welt bereisten. Das Schicksal trieb in den folgenden Jahren sein unbarmherziges Spiel mit ihm, stieß ihn von Gefahr zu Gefahr, stets das Angesicht des Todes gewärtig.
Den Höhepunkt seines abenteuerlichen Lebens erlebte Círdan in der Wüste Khôm, denn dort fand er ein Stück uralten Leders, dessen Runen auf das verloren geglaubte Tie'Shianna hinwiesen, die gleißende Stadt des einstigen Elfenreiches. Ein fremder Wille schien von Círdan Besitz zu ergreifen und trieb ihn hinaus in den tödlichen Sand. Dort ward er verschollen.


Zweimal Zwölf Monde später erwachte Círdan am Rande der Khôm wieder, ein Schwert aus Sternenstoff an seiner Seite, den Knauf geformt wie das Haupt eines Drachen, im Maul eine Kugel von Rubin. Eine große Lücke klaffte in seiner Erinnerung, gnädiges Unwissen über das Vergangene. Nur von den Göttern wußte er zu erzählen, die er gesehen zu haben glaubte, die da sind: Nurti, die Lebensnehmerin, Zerzal, die Beenderin, Orinia, die Herrin des Schicksals, und Pyr, der goldene Drache der Elemente. Der Elf ließ sich nicht durch den Unglauben seiner Zeitgenossen entmutigen und begab sich auf die Suche nach Wissen über das Volk seiner Ahnen, das mit der gleißenden Stadt verschwunden war. Schließlich, nach einem Leben voller Gefahren und Abenteuer, beschloß Círdan, sich niederzulassen und sich in die Lehren seiner Götter zu vertiefen. Just zu dieser Zeit gefiel es Königin Peri, ihre Provinzen mit neuem Blut zu besetzen, und Círdan war das Schicksal hold: Er bekam am Hofe der Königin das Land Laratusaî zum Lehen.
Círdan ist ein gütiger und kluger Lehnsherr, dem es trotz seiner Abstammung gelungen ist, das Vertrauen seiner Untertanen zu erlangen, unter seiner Hand blüht die Laratusaî auf.
Gegenüber Fremden verhält sich der Elf oft hochmütig und arrogant, wie eben Elfen sind, seinen Freunden und Bekannten gegenüber hingegen ist er freundlich und offen. Círdan liebt die Jagd, die Musik und die Literatur, denen er die meiste Zeit seiner freien Augenblicke schenkt, denn eigentlich erfordert die Regierung der Lasatusaî seine volle Aufmerksamkeit.
Er bevorzugt robuste, praktische Kleidung, wenn er seine Residenz verläßt, meist aus weißem Leder gefertigt, die oft, sein Wappen, den Kopf eines Säbelzahntigers mit der Krone eines Barons, das von einem Drachen gehalten wird, trägt. Ansonsten kleidet er sich in eleganter Aufmachung aus Seide oder Brokat, in weiß, rot oder schwarz gehalten.

 

***
 

Círdan Sonnenwind zählt zu den herausragendsten Adeligen der "ersten Lehensvergabe". Unter seiner Ägide wurde die Laratusaî fest in den Staatsverbund eingegliedert, er vermochte es, die Neigung zur Rebellion und die Gesetzlosigkeit in den seinen Lehenslanden effektiv zu bekämpfen. Círdan Sonnenwing wurde wie so viele andere Menschen im Káhet ein Opfer der borbaradianischen Dämonenpest, die er nur knapp überlebte. Seitdem lebt er zurückgezogen in Nehet.