Boronil Orestiás Reneb O'sámût Nehvh'ser

Cronjustitiar Ihrer kemiköniglichen Majestät

"Ein gebrechliches Gebilde von Mensch scheint sich unter der stetig getragenen tief schwarzen Kutte zu verbergen. Das Gesicht beständig von der schweren Leinenkapuze verhüllt, kann man nur schlechterdings einen Blick auf das ausgezehrte, vom Alter gezeichnete und Wetter gegerbte Gesicht werfen. Die Augen scheinen in einem Moment fahl drein zu schauen, im nächsten Moment mit scharf stechendem Blick sein Gegenüber zu durchdringen. Am Stock gehend und doch beweisend, dass auch er noch agil sein kann. Ein mancher Strolch, der meinte er könnte mit Meister Nehvh'ser leichtes Spiel haben, wurde schon bös überrascht.
Es begab sich in ferner Vergangenheit, im heutigen Sarslund, dass Meister Nehvh'ser damals fast genau vierzig Götterlaufe vor der segensreichen Krönung Peri III. das Licht der Welt erblickte. Der heute über siebzig Götterläufe zählende Boroni durfte in seinem Leben die Tiefen und Höhen des seinen alterwürdigen Volkes durchmachen und hat es doch geschafft, bis zum heutigen Tage zu überleben. Nur ungern kramt er in den Erinnerungen seiner Vergangenheit. Wie er immer zu sagen pflegt:

 

"Nicht die Vergangenheit sollten wir uns zu oft vor Augen halten, sondern die Zukunft. Der Vergangenheit gehören wir, so es der Herr Boron will, schon noch früh genug an."

 

Dem inzwischen wieder allgegenwärtigen Orden der Heiligen Kriegerinnen und Krieger zu Laguana schloss er sich so auch in seiner frühen Jugend an. Oft bestrebt das Wort des Herrn Boron in den undurchdringlichen Dschungel zu tragen, musste Meister Nehvh'ser doch bald einsehen, dass die Waldmenschen ihn lieber festgebunden an ihren Pfählen gesehen hätten, als predigend in ihrer Mitte. Hinsichtlich dieses wilden Abschnittes seines Lebens pflegt der alte Mann auch nur zu sagen, unterlegt mit einem nostalgischen Blick und einem leicht verlogenen Grinsen:

 

"Glaubt mir, die Waldmenschen hören lieber den Klang der Trommeln, als das in ihren Ohren wie Gefasel klingende Wort Borons. Insbesondere wenn es aus dem meinen Munde stammt."

 

So wandte er sich mehr und mehr allein dem Worte Boron zu und studierte jegliche alte Schrift, derer er habhaft werden konnte. Nach langen Wanderungen durch die Archive der verschiedensten Tempel, nahm er seinen Sitz auf Laguana ein. Das große Archiv des Ordens sollte für lange, sehr lange Jahr sein formelles Heim sein. Insbesondere hatte es ihm nach einiger Zeit die kem'sche Rechtssprechung, fußend auf den Worten des Herrn Boron, angetan, welche er sorgfältig studierte. Ein umfassendes Wissen konnte er sich nach langen Jahren des Studiums aneignen, welches ihm so manche ehrenwerte Anfrage aus Tarethon und Terkum einbrachte. Die Akîbs und Akîbets dieser Provinzen, seit je her fest im Glauben an den Herrn Boron, schätzten sein Wissen und seine fundierte Meinung zu den diversen Fällen. Oft musste er dazu nicht einmal die heiligen Hallen Laguanas verlassen. Über die Korrespondenz ließ sich vieles regeln.
So zog die Zeit ins Land und mit dem fortschreitenden Alter begann sich im gealterten Meister Nehvh'ser ein gewisser Grad der Weisheit zu manifestieren - wobei er selber eingestehen muss, dass es auf der anderen mit einem steigenden Grad an Sturheit bezahlt wurde. Seine in Worte gefasste Meinung:

 

"Geduld ist eine Tugend. Starsinn ein Laster. Ich bin mit dem Alter nun leider nicht mehr der tugendhafteste Diener des Herrn Boron, aber wohl einer der Eifrigsten, auch wenn mit Lastern behaftet."

 

Hinsichtlich der bereits angesprochenen und ihm zugesprochenen Weisheit, meint Meister Nehvh'ser stets, mit einem breiten Grinsen unterlegt:

 

"Weise ist nicht immer das, was wir tun, sondern das, was andere glauben, das wir es tun."

 

Der reichlich gradlinige und doch phasenweise sehr komplizierte Charakter von Meister Nehvh'ser hat ihn dennoch zu meist Gönner und Bewunderer eingebracht. Mit dem hohen Alter begann er zwar stetig auch den offenen Streit zu suchen - welcher Weise lässt sich im hohen Alter noch gerne von dem ihm gefundenen Pfad der Gelehrsamkeit abbringen? - doch sein reicher Wissensschatz, gerade im Bezug auf die Rechtssprechung der alten Kemi, so wie sein tief verwurzelter Glaube an den Herrn Boron haben ihn stets immer mehr unbeWUSsten Einfluss auf seine Umgebung nehmen lassen. Mag er des Öfteren ein stures und eigensinniges Räbelein sein, so muss man ihm dennoch schon aufgrund seines hohen Alters den gebührenden Respekt zollen und so gleich seine unergründliche Glaubensfestigkeit zu gute halten. Das er darüber hinaus auch noch ein solch profundes Wissen ansammeln konnte, ist mehr denn erstaunlich. Und so, wie ich schon zu Beginn sagte, ist bereits so mancher Strolch auf das gebrechlich erscheinende Äußere von Meister Nehvh'ser hereingefallen und hat eine böse Überraschung erfahren."

Borodain Trer, Vertrauter Meister Nehvh'sers


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Cronjustitiar Boronil Orestiás Reneb O'Sámût Nehvh'ser ist seit dem Jahre 31 S.G. der neue Vorsitzende und Leiter des Crongerichtes ihrer kemi-königlichen Majestät. Seine Berufung war das Ergebnis seiner jahrelangen Studien des Rechts der alten Kemi und deren Rechtssprechung in den heiligen Hallen von Ne'charke-re Tá. Viele lange Jahre verbrachte er seine Tage nur damit, sich der körperlichen Ertüchtigung in Form der 12 Dárs und dem Wälzen alter Papyrusrollen hinzugeben. Das Ergebnis ist die heute geformte Person des Cronjustitiars, der danach strebt, die moderne kem'sche Rechtssprechung wieder dem traditionellen Rechtswegen der alten Kemi anzupassen. Verbrechen im Glauben sieht er als das größte Verbrechen gegen Nisut, Staatskirche, Káhet und das Volk der Kemi an. Unermüdlich wird der alte Boroni seiner Aufgabe als höchster Repräsentant der Nisut in der Rechtssprechung nachkommen, um auch in diesem Bereich des Káhets die alten Sitten und Riten wieder aufleben zu lassen.
Der gebeugte Gang von Boronil Orestiás Reneb O'Sámût Nehvh'ser täuscht stark über seine körperliche Beschaffenheit hinweg. Durch das tägliche Exerzieren der Dárs ist er zu einem sehnigen und flexiblen Diener des Rabens geworden. Sein geschwärzter Gehstock, der am oberen Ende von einem hockenden Raben geziert wird, dient ihm so zu meist lediglich als Täuschung seiner Umwelt, oder aber auch als einfaches Verteidigungsinstrument, so sich denn ein Diebe einmal wieder versuchen sollte an der wehrlos erscheinenden Person des Cronjustitiars zu vergreifen.
Der Charakter von Meister Nehvh'ser ist ein wenig verschroben. Das hohe Alter hat in Form von gesteigerten Starsinn dafür gesorgt, dass sich ein Umstimmen bei einer von ihm gefassten Meinung schlechterdings erwirken lässt - so fern man nicht in der Lage ist, ihm es schwarz auf weiß zu widerlegen. Das geschriebene Wort ist dem Boroni mit das heiligste, denn immerhin sind auch die Worte und Lehren des Herrn Boron auf Papyrus gebannt und so für jeden, der des Lesens mächtig ist, stets einsehbar. So schlägt auch oft seine ebenso mit dem Alter erworbene Weisheit in seiner Urteilskraft durch:

 

"Auch der klügste und weiseste Mann kann so manches Mal einem zu schnellen Urteil erliegen. Somit ist es auch weise und insbesondere klug, wenn solch ein Mann selbst weiß, wo es von Weisheit und Klugheit zeugen würde, seine Meinung und sein Urteil nochmals zu überdenken."

 

Eine zurückhaltende Art kann man dem alten Mann allerdings nicht unterstellen. Sein Mundwerk ist zwar nicht so lose, wie das eines beliebigen Marktweibes, aber er hält meist nicht lange mit seinen Worten hinterm Berg. Ein schneller, aber fundierter Meinungsaustausch ist Meister Nehvh'ser äußerst wichtig:

 

"Geduld mag eine Tugend sein, sehr richtig. Aber Zeit ist vergänglicher als jede Tugend und Zeit ist etwas, von dem mir der Herr Boron schon sehr viel gegeben hat. Also sprecht rasch, denn ich habe nicht mehr so viel Zeit, wie etwa ihr!"

 

Der Respekt vor dem Erbe, welches die alten Kemi dem neuen Reich auferlegt haben, ist ihm das wichtigste und daher dürfte auch seine häufig Ablehnung alles nicht-kem'schen herrühren. Eine vielschichtige und häufig auch undurchsichtige Person ist der Cronjustitiar, der jedoch zu seinen Urteilen steht und für Boron, Nisut und das Volk der Kemi seine letzten Tage zu Dere aufopferungsvoll verrichten wird!